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Spazieren gehen im Sommer

Selbst das heiße Berlin ist einen Besuch wert, fanden die Spaziergänger des Quartiers. So scharrten sie sich um die Nachbarschaftshelferinnen Olga Günther und Sabine Schwarz genauso, wie um den bewährten und längst als Stadtführer anerkannten Nachbarn Wolfgang Hambruch.

Erst ging es am 9. Juli zum Botanischen Garten, wo die Besucher die schattigen Plätze unter den großen Bäumen suchten und beeindruckt das gepflegte Arial mit herrlichen Blumenrabatten und großen Rasenflächen bewunderten, über die es aus Wassersprengern regnete und die Luft angenehm kühlte. Es gab wie üblich ein Picknick, das diesmal mit Obst erfrischte. Nachdem alle die großen Fische und exotischen Pflanzen im Gewächshaus bewundert hatten, gab es noch eine Tasse Kaffee in dem kleinen Café mitten im Grünen. Dann ging der Spaziergang weiter durch den Park- vorbei an „Amerika“, denn der gesamte Garten und seine Pflanzenwelt sind nach einzelnen Kontinenten gestaltet, und endete, noch bevor die große Hitze alle müde machte.

Zwei Wochen später, am 30. Juli, trafen sich Bewohnerinnen und Bewohner, um in der Wannseevilla wieder einmal in ein Stück Geschickte einzutauchen. Herr Hambruch konnte anhand historischer Karten die Entwicklung dieses Teils von Berlin zeigen und beeindruckte wie immer mit sehr detaillierten Kenntnissen. Im schön gestalteten Garten der Villa konnte man auf Schautafeln ihre wechselhafte Geschichte studieren. Dargestellt ist, wie aus der Villa am Ufer des schönen Wannensees Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts bald ein Treffpunkt der Größen des Hitlerregimes wurde und wie hier, in idyllischem, fast romantischem Ambiente, eines der menschenverachtenden Gesetze des sogenannten 3. Reiches beschlossen wurde - die systematische Vernichtung des jüdischen Volkes. Mit Gesetzeskraft ausgestattet und unglaublicher Perfidität und Grausamkeit wurde daran gegangen, diesen Beschluss zu realisieren, und eigentlich nur die Zerschlagung des Hitlerstaates und der Sieg über die Wehrmacht 1945 verhinderte dies.
Die Spaziergänger aus Marzahn waren fast ausschließlich Seniorinnen und Senioren und hatten diese Zeit als Jugendliche selbst erlebt. Die Dokumentation, die Bilder und persönlichen Berichte der Opfer, aber auch das, was an Aussagen der Täter vorlag, stimmt sie nachdenklich. „Wie konnte das passieren, wie können Menschen so grausam sein, so emotional abstumpfen“, war die alles bestimmende Frage. Aber auch die Meinung: „das war gestern, was müssen wir und unsere Kinder und Enkel das immer noch mit uns herumschleppen“, gab es. So diskutierten sie noch lange auf dem Weg nach Hause. Ein Besuch, den sie so schnell nicht vergessen werden.

Text und Fotos: Sabine Schwarz, Olga Günther