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Hat der alte Hexenmeister…

Das  hatten sich die Bewohnerinnen und Bewohner schon lange vorgenommen. Einmal in den alten Büchern kramen und sich an die schönsten Gedichte und Balladen der alten Klassiker erinnern. Und dann war es genauso wie auf dem Plakat vorab angekündigt. Die einen saßen und lauschten und die anderen verwandelten sich in ausdrucksstarke Rezitatoren. Ob die „Kraniche des Ibykus“, „Prometheus“, der „Handschuh“ oder die „Leineweber“, Goethe, Schiller und Heinrich Heine hätten ihre wahre Freude daran gehabt mit welcher Leidenschaft die Damen (es waren ausschließlich Frauen, die sich getroffen hatten), ihre Reime vortrugen.

Zur Überraschung aller holte Rosi Rau dann noch ein paar selbst gedichtete Zeilen eines erst kürzlich verstorbenen alten Herrn aus der Nachbarschaft hervor. Bei diesen Gedichten ging es um die neue Zeit, Freundschaft, Toleranz, das Miteinander, was alle sehr berührte und nachdenklich stimmte. Für eine angeregte Diskussion sorgte ebenso das sehr umstrittene Gedicht von Günter Grass, das alle Anwesenden schlagartig in die Gegenwart zurückholte.

Olga Günther, die Nachbarschaftshelferin für die Spätaussiedler, rezitierte abschließend noch auf Russisch und erläuterte den Inhalt, bei welchem es sich um historische Skizzen in Reimform zu Napoleon in Russland handelte.

Alle fühlten sich irgendwie beschwingt, als sie sich nach einer guten Stunde verabschiedeten, aus den Tiefen der Literatur wieder in den Alltag eintauchten, dem sie gern für eine Stunde nachbarschaftlicher Gemeinsamkeit entflohen waren.

Text: Sabine Schwarz, Nachbarschaftshelferin
Foto: Olga Günther, Nachbarschaftshelferin