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Ein Kleinod mit beeindruckender Geschichte gleich nebenan

Als die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers an der Mehrower Allee am 12. Juni die S-Bahn am Wuhletal verließen, hob sich ihre Stimmung sofort. Die Blicke schweiften über den Landschaftsraum Wuhletal, die grünen Flächen und das Flüsschen „Wuhle“, und sie freuten sich auf den kleinen Ausflug in die Natur.

Interessiert hörten sie, was Ute Schiller vom Naturschutzzentrum „Schleipfuhl“ über die Geschichte und die Renaturierung des Wuhletals erzählte. Nach einem kurzen Weg über einen kleinen Pfad tauchte plötzlich unter Bäumen ein Pfuhl auf, der von Enten bevölkert und von dessen Rand sich gerade ein Graureiher erhob. So nah ein Flecken fast unberührter Natur.

Als am Eingang der Krankenhauskirche dann die Führung begann, eröffnete sich ein Stück einer ungeahnten beinahe eigenständigen dörflichen Geschichte. Der Ort entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts als Krankenhausanlage am Rande Berlins. Eingebettet in weiträumigen Parkanlagen gehörten zu der „Anstalt für Epileptische Wuhlgarten bei Biesdorf" Aufnahme- und Koloniehäuser, Gutshof und Kirche, Verwaltungs- sowie Wirtschaftsgebäude. Mit eigener Strom- und Wasserversorgung, mit eigener Landwirtschaft und Gärtnerei, mit eigenem Friedhof und mit zahlreichen Werkstätten (Stellmacher, Korbflechter, Sattler, Schlosser u.a.m.) war die Anstalt weitestgehend autark.

Die Zuhörer staunten bei ihrem Spaziergang durch das Gelände nicht schlecht über die Idee des bedeutenden Neurologen und Psychiaters Wilhelm Griesinger, der die Gesundung der hauptsächlich psychisch Kranken auch durch richtige Arbeit und gemeinnützige Tätigkeit auf dem Gelände des Krankenhauses als Therapie zu befördern versuchte. Die Patienten aus allen Bevölkerungsschichten wohnten und arbeiteten auf dem Gelände, unabhängig vom Geldbeutel und je nach Schwere der Erkrankung teilweise jahrelang. In den Jahren von 1939 bis 1945 ist die Mehrheit der Patienten im Rahmen des Euthanasie-Programms der Nazis in Tötungsanstalten wie Hadamar, Obrawalde oder Brandenburg gebracht worden. Ein Gedenkstein am alten Bahndamm ("Todesgleise") in der Nähe des Hauses 41 erinnert an diese furchtbaren Verbrechen.

Zu Ehren Wilhelm Griesingers erhielt das Krankenhaus 1976 anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins den Namen Wilhelm Griesinger. Seine Prinzipien der Behandlung wurden bis zum Jahr 1990 auch noch in der DDR verfolgt.

Mit dem Umbau des Klinikums, der Errichtung des Unfallkrankenhauses Berlin (UKB) ab Mitte der 1990er Jahre und dem Verkauf der ehemaligen Wohnhäuser der Ärzte und Angestellten der Klinik an private Investoren veränderte sich die Atmosphäre. Sie wurde einerseits modernisiert und dank des Denkmalsschutzes als wunderschönes architektonisches Kleinod mit vielen schönen alten Bäumen erhalten.

Genüsslich wurde der Ausflug mit einem schmackhaften Picknick, das die Nachbarschaftshelferinnen vorbereitet hatten, beendet. Dabei zeigten sich die Wanderer beeindruckt von der Natur und Schönheit gleich nebenan.

 
Text und Bild: Sabine Schwarz, Nachbarschaftshelferin